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Carina Lummer ist Geschäftsführerin des 2023 gegründeten Parkinson Netzwerks Deutschland e.V. Im Masterstudium in Bayreuth hat sie ich auf Gesundheitsökonomie spezialisiert und arbeitet daran, regionale Versorgungsstrukturen für Parkinson-Patient:innen zu verbessern und sieht viel Potenzial in der Gestaltung.
Mein Weg begann mit einem Bachelor in BWL, aber schon da habe ich gemerkt, dass das klassische betriebswirtschaftliche Umfeld nicht zu mir passt. Ich habe mich dann intensiv mit dem Thema Gesundheitswesen auseinandergesetzt, unter anderem durch ein Praktikum im Krankenhaus, das mir gezeigt hat, wie spannend es ist, Versorgungskonzepte zu entwickeln. Im Masterstudium in Bayreuth habe ich mich auf Gesundheitsökonomie spezialisiert. Während eines Praktikums kam ich erstmals mit dem Thema Parkinson und Netzwerke in Kontakt. Diese Arbeit hat mich nicht mehr losgelassen, und so habe ich Netzwerkarbeit später auch wissenschaftlich weiterverfolgt. Heute bin ich bei Optimedis tätig, wo wir gemeinsam daran arbeiten, regionale Versorgungsstrukturen zu verbessern. Besonders fasziniert hat mich, wie viel Potenzial in der Gestaltung nicht-ärztlicher Versorgungsstrukturen steckt – also in Konzepten, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, aber über das klassische ärztliche Handeln hinausgehen.
Ja, ich bin Gründungsmitglied zusammen mit Prof. Dr. Tobias Warnecke und Prof. Dr. Carsten Eggers. Die Vereinsarbeit entstand aus einer Arbeitsgruppe rund um das Thema Netzwerke. Ursprünglich war diese sehr ärztlich geprägt, aber mit der Zeit kamen mehr Perspektiven dazu, unter anderem aus dem Management und der Forschung. Gemeinsam mit anderen Engagierten haben wir die Satzung entwickelt und im März 2023 den Verein gegründet. Ziel war es, den vielen regionalen Netzwerken eine koordinierende, unterstützende Instanz zu geben, die auch in der Lage ist, Geld einzuwerben. Gerade zu Beginn war das viel Eigeninitiative: Wir haben die Satzung abends in unserer Freizeit geschrieben und dann jemanden mit juristischem Hintergrund gebeten, sie gegenzulesen. Heute ist daraus eine professionelle Struktur entstanden, die bundesweit ausstrahlt.
Wir möchten die Versorgung für Menschen mit Parkinson verbessern, indem wir alle Beteiligten miteinander vernetzen. Die Versorgung in Deutschland ist regional sehr unterschiedlich. In manchen Gegenden, etwa in Sachsen, gibt es einen erheblichen Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten, während in anderen Bundesländern die Versorgung deutlich besser ist. Netzwerke vor Ort können auf diese spezifischen Bedarfe reagieren. Der Verein unterstützt diese regionalen Strukturen, bietet Leitlinien, Qualitätskriterien und ein Auditverfahren zur Sicherstellung der Versorgungsqualität. Wichtig ist dabei auch die Definition, was ein echtes Netzwerk ausmacht: Es reicht nicht, wenn sich zwei Neurolog:innen austauschen. Entscheidend ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten, inklusive Pflegekräften, Therapeut:innen, Sozialarbeitenden und Patientenvertretungen.
Die Netzwerke organisieren regelmäßige Treffen, meist vierteljährlich, bei denen alle Versorgungsakteur:innen einer Region zusammenkommen. Wichtig sind dabei die Elemente Edukation, Kommunikation und Koordination. So gibt es beispielsweise fachliche Impulse, aber auch Raum für Austausch. Wenn eine Therapeutin direkt mit einem Neurologen sprechen kann, weil beide im gleichen Netzwerk sind, verbessert das die Versorgung immens. Einige Netzwerke haben inzwischen auch Koordinator:innen angestellt, die Veranstaltungen organisieren und den Austausch aktiv vorantreiben. Bei einem dieser Treffen wurde zum Beispiel ein innovatives Format eingeführt: Fallkonferenzen mit „Personas“ – fiktiven, aber realitätsnahen Patientenbeispielen, die nicht nur medizinische, sondern auch soziale und emotionale Aspekte berücksichtigen. Dadurch werden neue Blickwinkel geöffnet, etwa: Welche Rolle spielt Ernährung? Welche psychologischen Bedarfe bestehen?
Ja, unbedingt. Patientenvertretungen sind ein wichtiger Bestandteil und es ist auch ein Qualitätskriterium, dass ihre Perspektive einbezogen wird. Unser Ziel ist, dass die Versorgung für die Patientinnen und Patienten „fließend“ wird. Sie sollen sich nicht durch das System kämpfen müssen, sondern idealerweise gar nicht merken, dass sie sich in einem Netzwerk befinden – und stattdessen einfach gut versorgt sein. Die Einbindung Betroffener ist uns wichtig, auch wenn wir bewusst darauf achten, dass sie nicht überfordert werden. Versorgung muss so gestaltet sein, dass sie Patientinnen und Patienten entlastet, nicht zusätzlich fordert. An den relevanten Stellen müssen sie natürlich informiert und beteiligt sein – aber nicht für jede Abstimmung oder Strukturfrage verantwortlich gemacht werden.
Versorger können sich bei regionalen Netzwerken melden und an Treffen teilnehmen. Später schließen sie oft eine Kooperationsvereinbarung, die die Zusammenarbeit regelt. Diese ist nicht rechtlich bindend, aber Ausdruck eines gemeinsamen Versorgungsanspruchs. Wichtig ist, dass man sich einbringt, etwa durch Teilnahme an Treffen oder an edukativen Veranstaltungen. Wir erwarten nicht, dass alle dieselbe Rolle einnehmen, aber dass sich alle aktiv einbringen. Es geht um eine Kultur des Miteinanders.
Hier arbeiten wir gerade mit der Hilde-Ulrichs-Stiftung an einem Online-Tool namens Parkinson-Lotse. In Zukunft soll man dort regionale Versorger recherchieren und sehen können, wer Teil eines Netzwerks ist. So können Patientinnen und Patienten auch aktiv die Wahl für Netzwerkversorgung treffen.
Eine sehr zentrale. Sie sind wie Qualitätssiegel für koordinierte, interdisziplinäre Versorgung. Die Netzwerke arbeiten mit Instrumenten, wie den sogenannten Quickcards. Das ist eine Art Überweisung mit konkreten Therapieempfehlungen, die einen Dialog zwischen Neurolog:innen und Therapeut:innen ermöglicht. Zudem gibt es immer häufiger Netzwerkmanagerinnen, die organisatorisch unterstützen und den Austausch systematisch fördern.
Zum einen in der Diagnostik: Die Symptome sind gerade zu Beginn oft unspezifisch. Viele Betroffene erhalten erst nach Jahren eine gesicherte Diagnose. Zum anderen ist Parkinson sehr individuell, was Standardversorgung schwierig macht. Hinzu kommen psychische Belastungen und pflegerische Herausforderungen, auch für Angehörige. Und was vielen Patientinnen und Patienten hilft, ist der Austausch untereinander, etwa in Selbsthilfegruppen – aber auch Humor, wie wir es oft hören.
Regionale Versorgung ist der Schlüssel. Ergänzt durch digitale Lösungen, etwa Telemedizin oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), um Versorgungsengpässe zu überbrücken. Gerade für Menschen in ländlichen Regionen ist Telemedizin ein großer Gewinn. Die Idee ist, dass Hausärztinnen und Hausärzte digital Rücksprache mit Parkinsonspezialist:innen halten können, wenn eine Diagnose im Raum steht oder Therapieanpassungen nötig sind. Auch für Therapieangebote selbst gibt es bereits gute Apps, etwa zur Bewegungstherapie. Aber: Es braucht auch politische Rahmenbedingungen, die diese Innovationen nachhaltig verankern.
Es braucht eine strukturelle und finanzielle Anerkennung regionaler Netzwerkarbeit. Leistungen wie Koordination oder Netzwerkmanagement müssen vergütet werden. Wir führen Gespräche mit Krankenkassen, arbeiten mit Versorgungsdaten und hoffen, dass daraus künftig auch offizielle Vergütungsmodelle entstehen. Auch politische Lobbyarbeit, wie Kongresse und Gespräche mit Entscheidungsträgern, gehören dazu. Wir orientieren uns dabei auch an Modellen wie dem sogenannten Shared-Savings-Prinzip.
Häufig kommen in der Kommunikation heraus, dass schon kleine Anpassungen im Alltag die Patientenversorgung verbessern können. Einfache Abstimmungen machen einen riesigen Unterschied. Sie zeigen, dass Versorgung nicht nur medizinisch gedacht werden darf, sondern auch sozial und organisatorisch. Oft fehlt es nicht an Fachwissen, sondern an Struktur und Kommunikation.
Frau Lummer, vielen Dank für das Gespräch und Ihr großes Engagement!