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Was genau steckt hinter diesem Phänomen und was verursacht diese unwillkürlichen, unkontrollierbaren Bewegungen bei Parkinson? Wie äußern sich Dyskinesien und was können Sie dagegen tun? Erfahren Sie hier alle wichtigen Informationen über eine mögliche Komplikation der Parkinson-Krankheit.
Dyskinesie ist ein medizinischer Begriff, der hauptsächlich im Bereich der Neurologie benutzt wird. Dabei liegt eine Störung im normalen (physiologischen) Bewegungsablauf eines Körperbereichs oder Organs vor. Dyskinesie bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes eine abnorme Bewegung. Es sind nicht willentlich beeinflussbare Bewegungen, die spontan auftreten. Bei der Parkinson-Krankheit entstehen Dyskinesien des Gesichts, Rumpfes oder der Extremitäten in der Regel im Rahmen der medikamentösen Behandlung – oft aufgrund der langjährigen Einnahme von Levodopa (L-Dopa), dem wichtigsten Parkinson-Medikament, das den Dopaminspiegel im Gehirn erhöht. Daher sprechen Mediziner:innen auch von Levodopa-induzierten Dyskinesien oder medikamentenassoziierten Dyskinesien.
Die Therapie mit Levodopa spricht in den ersten Jahren der Parkinson-Krankheit in der Regel gut an. Im weiteren Verlauf entstehen jedoch Wirkungsschwankungen mit Phasen, in denen das Medikament gut wirkt (On-Phasen) und Phasen mit Wirkverlust (Off-Phasen) sowie Phasen der Überbeweglichkeit, den Dyskinesien. Diese motorischen Fluktuationen treten bei der Parkinson-Krankheit häufig auf. Bei etwa 40 Prozent der Parkinson-Patient:innen treten Dyskinesien nach etwa vier bis sechs Jahren der L-Dopa-Langzeiteinnahme auf.
Die Ursache für Dyskinesien ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Klarheit besteht aber darüber, dass die Überbewegungen am häufigsten im Zusammenhang mit einer dauerhaften Einnahme von Levodopa und durch den fortschreitenden Verlauf von Parkinson auftreten. Die meisten Parkinson-Patient:innen erhalten zu Beginn der Therapie das Medikament Levodopa (L-Dopa), um die typischen motorischen Symptome Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), Rigor (Muskelsteifigkeit) und Tremor (Zittern) zu behandeln. Und das gelingt auch für längere Zeit sehr gut – Stichwort Honeymoon-Phase, in der die Symptome teilweise vollständig verschwinden.
L-Dopa hilft, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen, der bei der Parkinson-Krankheit entsteht. Der Grund dafür liegt im fortschreitenden Untergang der Nervenzellen der schwarzen Substanz (Substantia nigra), die den Botenstoff (Neurotransmitter) Dopamin produzieren und speichern. Im Krankheitsverlauf haben die dopaminergen Nervenzellen immer größere Probleme, für normale Bewegungsabläufe zu sorgen. In der Folge muss die Dosis von Levodopa erhöht und regelmäßig angepasst werden. Trotzdem kommt es leider auch zu Schwankungen in der Wirkung, weil Patient:innen sensibler darauf reagieren.
Wenn der L-Dopa-Spiegel im Blut am höchsten ist – etwa ein oder zwei Stunden nach Einnahme des Medikaments – können sogenannte “Peak-Dose”-Dyskinesien auftreten. Das kommt besonders dann vor, wenn Levodopa in hoher Dosierung eingenommen wird. Doch auch, wenn die Wirkung von L-Dopa mit der Zeit nachlässt, können solche Überbewegungen auftreten. Dies ist jedoch seltener der Fall.
Dyskinesien werden von Betroffenen ganz unterschiedlich beschrieben, die Überbewegungen zeigen sich auf individuelle Weise: von leichten Ticks im Gesicht bis hin zu unkontrollierten Rucken und zappelnden, tanzenden Bewegungen eines Körperteils oder auch des gesamten Körpers ist alles in verschiedener Ausprägung möglich.
Es besteht eine mehr oder weniger große Bewegungsunruhe mit Nervosität, Wackeln, Zuckungen, Verdrehungen und sich wiederholenden Bewegungen, die alltägliche Tätigkeiten deutlich erschweren oder unmöglich machen können. Plötzlich wird das An- und Ausziehen von Kleidung, das Schnüren der Schuhe oder auch das Essen zu einer großen Herausforderung.
Dyskinesien treten in unregelmäßigen Abständen auf und erzeugen verschiedene Bewegungsformen, die anderen motorischen Parkinson-Symptomen zum Verwechseln ähneln. Das erschwert Ärzt:innen, die richtige Diagnose zu stellen, die für die folgende Behandlungsentscheidung wichtig ist.
„Peak-Dose“-Dyskinesien, aufgrund eines hohen L-Dopa-Blutspiegels nach der Einnahme des Medikaments, treten am häufigsten auf. Wichtig für die Behandlungsstrategie ist jedoch, dass behandelnde Ärzt:innen unterscheiden müssen, ob es sich bei der Bewegungsstörung auch wirklich um Dyskinesien handelt oder ob sich hinter dem Symptom nicht doch ein ausgeprägter Tremor oder eine anhaltende Muskelverkrampfung (Dystonie) verbirgt.
Die richtige Diagnose ist von entscheidender Bedeutung, um eine richtige Therapie einzuleiten. Es gibt tragbare Geräte, sogenannte “Wearables”, die Überbewegungen und den Unterschied zum Tremor erkennen und damit helfen, Dyskinesien bei Parkinson zu bestätigen.
Bei der Behandlung von Dyskinesien wäre eine mögliche Option, die Dosis des Medikaments L-Dopa zu reduzieren. Liegt jedoch ein klassischer Parkinson-Tremor vor, wäre die Behandlungsentscheidung genau das Gegenteil, nämlich die Therapie mit Levodopa oder einem Dopaminagonisten. Wird in diesem Fall eine falsche Entscheidung getroffen, kann es fatale Folgen haben: Die Bewegungsabläufe verschlechtern sich deutlich und die Lebensqualität wird ebenfalls beeinträchtigt.
Die Therapie von Dyskinesien bei Parkinson basiert auf einer Anpassung der medikamentösen Behandlung und darauf, mit nicht-medikamentösen Behandlungen die Überbewegungen zu reduzieren und die Lebensqualität zu steigern.
Bei der medikamentösen Therapie von Dyskinesien gibt es drei Optionen: Die Medikation kann angepasst, der Zeitpunkt der Einnahme verändert und zusätzliche Medikamente eingenommen werden. Eine gute Balance bei der Anpassung der Medikamente zu finden, ist nicht einfach. Eine geringere Dosis Levodopa verbessert möglicherweise Dyskinesien, dafür können sich andere motorische Symptome verschlechtern, was auch keine gute Option ist.
Daher können alternative Medikamente zu L-Dopa eingesetzt werden, um die Überbewegungen zu reduzieren, zum Beispiel:
Es besteht auch die Möglichkeit, Levodopa in geringerer Dosis, dafür aber häufiger oder die Arznei in Form eines sogenannten Retardpräparates einzunehmen. Dabei wird der Wirkstoff langsamer freigesetzt und die Wirkung hält länger an.
Ein weiterer Ansatz sieht vor, den Einsatz von Levodopa – der oft der erste Schritt zur Behandlung der Parkinson-Krankheit ist – möglichst lange hinauszuzögern, um das Auftreten von Dyskinesien im späteren Stadium ebenfalls aufzuschieben. Hier könnten alternativ Dopaminagonisten eingesetzt werden, die den Einsatz von Levodopa um einige Jahre verzögern und die später womöglich keine Dyskinesien als Nebenwirkung hervorrufen können.
Dieser Ansatz wird inzwischen aus bestimmten Gründen nicht mehr verfolgt: Dopaminagonisten lösen zwar keine Dyskinesien aus, haben dafür aber eine ganze Reihe anderer möglicher Nebenwirkungen am Start, wie zum Beispiel Impulskontrollstörungen, Ödeme an Unterschenkel und Füßen oder eine stark ausgeprägte Müdigkeit am Tag. Diese Nebenschauplätze müssen ebenfalls kontrolliert und behandelt werden. Ein weiterer Grund: Die Erstbehandlung mit Dopaminagonisten schützt nicht vor Dyskinesien, wenn später letztendlich doch Levodopa notwendig wird.
Interessant: Vielen Parkinson-Patient:innen ist die Behandlung motorischer Symptome mit Levodopa wichtiger, dafür nehmen sie dann mögliche Dyskinesien in Kauf.
Wenn in der Spätphase von Parkinson vermehrt Wirkungsschwankungen und dadurch On- und Off-Dyskinesien auftreten, wäre auch Injektion per Pen-Injektor (Injektionsstift) eine Behandlungsoption, um die Beweglichkeit wieder herzustellen. Dabei werden Medikamente wie zum Beispiel ein Apomorphin-Präparat aus der Gruppe der Dopaminagonisten mit einem Pen subkutan, also unter die Haut, injiziert. Voraussetzungen für die Anwendung sind kognitive und motorische Fähigkeiten, um die Injektion selbstständig durchführen zu können und das eindeutige Auftreten von On- und Off-Phasen. Für Parkinson-Patient:innen, die eventuell eine Parkinson-Demenz entwickelt haben, wäre diese Behandlungsmethode ungeeignet.
Treten bei Ihnen mehr als zwei Stunden täglich Off-Phasen mit schlechter Symptomkontrolle auf? Oder dauern Dyskinesien bei Ihnen länger als eine Stunde pro Tag an? In diesen schwerwiegenden Fällen könnte auch eine tiefe Hirnstimulation (THS) in Betracht gezogen werden. Bei diesem operativen Eingriff werden Elektroden in bestimmte Gehirnareale implantiert, die elektrische Impulse abgeben und auf diese Weise Dyskinesien und andere motorische Symptome der Parkinson-Krankheit behandeln.
Wichtige Bausteine der Parkinson-Therapie und damit auch der Behandlung von Dyskinesien sind die Physiotherapie, Ergotherapie und Psychotherapie. Sie kommen unterstützend zum Einsatz:
Mit verschiedenen Entspannungsmethoden wie Progressive Muskelentspannung, Meditation und Atemübungen können Sie das Nervensystem beruhigen und damit möglicherweise positive Effekte auf die unkontrollierten Überbewegungen erreichen. Zudem reduzieren verschiedene Entspannungsmethoden Anspannungen und Stress und fördern das körperliche und psychische Wohlbefinden.
“Patient:innen merken sehr schnell, dass sie selbst etwas bewirken können, wenn sie jeden Tag ihr Training machen”, erzählt der renommierte Wissenschaftler und Experte auf dem Gebiet der Bewegungswissenschaften Dr. phil. Heiko Gaßner in unserem Interview. Regelmäßige sportliche Aktivitäten helfen dabei, die Muskelkoordination, die allgemeine Beweglichkeit und Muskelkraft zu verbessern. Außerdem wirkt sich Sport positiv auf unsere Psyche und unseren Körper aus und lindert Stress, was sich wiederum entspannend auf Dyskinesien auswirken kann.
“Das Wichtigste ist, dass es Spaß machen muss. Wer tanzen möchte, soll tanzen, wer lieber Nordic Walking macht oder schwimmen geht, der soll auch das bitte weiterhin tun“, rät Dr. Gaßner.