Über Parkinson
Ursachen
Symptome
Diagnose
Verlauf
Behandlung
Medikamentöse Behandlung
Gerätegestützte Behandlung
Unterstützende Therapien
Leben mit Parkinson
Ernährung
Sport und Bewegung
Hilfsmittel
Parkinson-Zentren
Zudem erfahren Sie hier, was sich hinter dem besonderen Symptom verbirgt, welche Ursachen in Betracht gezogen werden, wie sich die Haltungsinstabilität zeigt und welche Auswirkungen sie auf das Leben mit Parkinson hat.
Die Haltungsstabilität in Verbindung mit Gangschwierigkeiten und Stürzen ist ein Symptom von verschiedenen neurologischen Erkrankungen, tritt aber insbesondere beim Parkinson-Syndrom auf. Im Verlauf von Morbus Parkinson stehen bei Patient:innen folgende sogenannte Kardinalsymptome im Fokus: Tremor (Muskelzittern), Rigor (Muskelsteifigkeit) und Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), die zu Beginn der neurodegenerativen Erkrankung hauptsächlich auf einer Körperseite auftreten. Laut der aktuellen Leitlinie (2025) gehört die posturale Instabilität nicht mehr zu den einst vier Kardinalsymptomen der Parkinson-Krankheit.
Bei der posturalen Instabilität bei Parkinson handelt es sich um eine Störung der aufrechten Körperhaltung, ausgelöst durch unzureichend funktionierende Halte- und Stellreflexe. Betroffene müssen beim Sitzen oder Stehen ihre Körperhaltung justieren, weil die Weiterleitung von Signalen über die Sensoren der Skelettmuskulatur nicht vernünftig über das Rückenmark nicht funktioniert. Auch unser Gleichgewichtsorgan – das Innenohr – meldet die Veränderung der Stabilität an unser Gehirn, wodurch die Haltung bewusst korrigiert wird, anstatt dass sie unbewusst, automatisch und für andere unsichtbar abläuft. Im weiteren Krankheitsverlauf sind im Rahmen der posturalen Instabilität auch die Gleichgewichtsreflexe gestört.
Dadurch ist die Mobilität der Betroffenen mehr oder weniger stark beeinträchtigt und das Sturzrisiko erhöht, weil der Körper bei plötzlichen Drehungen oder Stößen nicht mehr adäquat reagiert, um das Gleichgewicht halten zu können. Dies stellt eine besondere Gefahr für Parkinson-Patient:innen dar, weil nicht nur die mangelhafte Stabilität der aufrechten Körperhaltung, sondern auch Stürze ein selbständiges Leben mit Parkinson erschweren oder unmöglich machen.
Die Haltungsinstabilität tritt bei etwa 16 Prozent der Parkinson-Patient:innen auf. Mit der Dauer der Erkrankung und mit der Beeinträchtigung des Gleichgewichts nimmt das Risiko für Stürze zu. Bei ca. 60 Prozent der Menschen mit einer posturalen Instabilität treten Stürze im weiteren Krankheitsverlauf auf.
Um besser verstehen zu können, wodurch eine Instabilität der Körperhaltung bei Parkinson verursacht wird, schauen wir uns erst einmal die natürliche (physiologische) Gleichgewichtskontrolle an, die bei Gesunden ganz unwillkürlich abläuft.
Die Kontrolle über unser Gleichgewicht ist eigentlich eine unwillkürliche Aktivität. Ist unsere Haltung stabil, können wir das Gleichgewicht auch bei Störungen des ruhigen Stands oder zur Vorbereitung und Ausführung von Bewegungen halten und die Balance aufrechterhalten. Und dafür ist eine gute Koordination unserer Sensorik – also der Wahrnehmung und Bewertung mit den Sinnesorganen (hören, riechen, sehen, tasten, schmecken) – und Motorik nötig. Mittels unserer Sensorik nehmen wir Informationen (Reizaufnahme) auf und leiten sie an unser zentrales Nervensystem, kurz ZNS, (Gehirn, Rückenmark) weiter. Dank unserer Motorik können zur Ausübung von Bewegungen (Reizantwort) die Muskeln angesteuert und angespannt werden.
Auch die Basalganglien (Nuclei basales), eine Gruppe Großhirn- und Zwischenhirnkerne, die für unsere Bewegungsabläufe wichtig sind, bilden Nervenbahnen, die die Ausführung von Aktivierung (Anspannung) und Hemmung (Entspannung) der Muskeln beeinflussen. Die Basalganglien sind außerdem wichtig, um unser Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Bei Parkinson stört ein Dopaminmangel im Gehirn die Funktion der Basalganglien. Und das wirkt sich negativ auf die Muskeltätigkeit und unser Gleichgewicht aus.
Die Haltungsstabilität hängt also von dem Zusammenspiel sensorischer, motorischer, visueller (das Sehen betreffend), vestibulärer (auf unseren Gleichgewichtssinn bezogen) und kognitiver (das Wahrnehmen, Denken, Erkennen betreffend) Schaltkreise ab. Liegt hier eine Störung vor, entsteht eine pathologische Gleichgewichtskontrolle namens posturale Instabilität.
Morbus Parkinson gilt als eine fortschreitende Bewegungsstörung, verursacht durch die Degeneration dopaminerger Nervenzellen der Substantia nigra (schwarzen Substanz). Bei manchen Parkinson-Patient:innen mit posturaler Instabilität spricht trotz des vorliegenden Dopaminmangels eine Dopaminersatztherapie aber nicht an.
In dem Fall könnten Störungen nicht in der schwarzen Substanz (Substantia nigra), sondern in der weißen Substanz (Substantia alba) im Gehirn ursächlich für die Haltungsinstabilität sein, wie zum Beispiel periventrikuläre Hyperintensitäten, bei der sich die Zusammensetzung des Hirngewebes um einen Hirnventrikel (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume im Gehirn) verändert oder Störungen der quer verlaufenden Faserverbindungen (Corpus-callosum-Fasern) zwischen beiden Großhirnhemisphären.
Weiße Substanz im Gehirn: Was ist das? Die weiße Substanz (Substantia alba) des zentralen Nervensystems (ZNS) ist ein Gefüge aus Fortsetzen (Axonen) von Nervenzellen (Neuronen). Es sind markhaltige (myelinisierte) Ausläufer der Nervenzellen – sogenannte myelinisierte Nervenfasern – im Rückenmark und Gehirn. Die weiße Substanz ist unter anderem für die Signalweiterleitung von Reizen im ZNS und peripheren Nervensystem (PNS) zuständig, also für die Kommunikation und den Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Bereichen des Gehirns.
Die weiße Substanz (Substantia alba) des zentralen Nervensystems (ZNS) ist ein Gefüge aus Fortsetzen (Axonen) von Nervenzellen (Neuronen). Es sind markhaltige (myelinisierte) Ausläufer der Nervenzellen – sogenannte myelinisierte Nervenfasern – im Rückenmark und Gehirn. Die weiße Substanz ist unter anderem für die Signalweiterleitung von Reizen im ZNS und peripheren Nervensystem (PNS) zuständig, also für die Kommunikation und den Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Bereichen des Gehirns.
Das klinische Krankheitsbild der posturalen Instabilität zeigt sich in Form von Gangstörungen und Gleichgewichtsstörungen. Patent:innen nehmen oft eine gebückte Haltung mit leicht gebeugten Knien ein, wodurch das Gehen mit der Zeit immer schwerer fällt. Auffällig sind auch ein schlurfender Gang und die vielen kleinen Schritte, die manchmal ganz ohne Absicht beschleunigt werden, die Schrittlänge aber immer kürzer wird. Dadurch machen sie einen leicht gehetzten Eindruck. Diese Art Gangstörung wird auch als Festination bezeichnet.
Häufig haben Menschen mit einer instabilen Haltung auch Probleme, überhaupt mit dem Gehen zu beginnen. Sie drehen sich und halten erstmal inne und beginnen dann wieder mit kurzen, tippelnden Schritten. Die Arme schwingen beim Gehen nur wenig oder gar nicht mit. Manchmal halten sie die Arme auch um die Taille herum.
Es besteht zudem eine Neigung, den Schwerpunkt des Körpers nach hinten (Retropulsion) oder vorne (Propulsion) zu verlagern. Der Grund dafür liegt in der Störung der Haltungs- und Stellreflexe. Sie müssen permanent die Körperhaltung im Stehen oder Sitzen korrigieren. Viele weitere Symptome der Parkinson-Krankheit können begleitend mit der posturalen Instabilität auftreten, sind individuell und variieren von Person zu Person.
Die posturale Instabilität kann sich durch andere Parkinson-Symptome verschlimmern. Insbesondere wenn die Sinneswahrnehmungen, wie bei Störungen der visuell-räumlichen Orientierung (Sehstörungen) oder Schwindel beeinträchtigt sind.
Eine gefährliche Komplikation der Haltungsinstabilität ist das erhöhte Risiko für Stürze, hervorgerufen durch eine fehlende Koordination und Balance der Bewegungsabläufe. Stürze können mit Knochenbrüchen, Ängsten vor neuen Stürzen und einer deutlich eingeschränkten Mobilität einhergehen und so die Lebensqualität in Mitleidenschaft ziehen. Durch die eingeschränkte Beweglichkeit besteht die Gefahr der sozialen Isolation, was wiederum depressive Phasen, Depressionen und Angststörungen auslösen kann.
Aufgrund dieser Komplikation hat die posturale Instabilität auch eine schlechte Prognose. Sie geht mit physischen, psychischen und sozialen Komponenten einher und kann zu Pflegebedürftigkeit führen. Dadurch gefährdet sie die Selbstständigkeit für ein Leben mit Parkinson erheblich.
Ihr behandelnder Neurologe oder Ihre behandelnde Neurologin stellt die Diagnose posturale Instabilität bei Parkinson. In den meisten Fällen tritt das Symptom in späteren Stadien der Erkrankung auf. Bei einer früheren Entwicklung des Symptoms müssen Neurolog:innen daher auch andere neurologische Ursachen abklären. Die posturale Instabilität ist eine subjektive Diagnose, denn sie hängt in erster Linie von den Befunden des Patientengesprächs und der körperlichen Untersuchung ab.
Ein ausführliches Patientengespräch über die Symptome und Begleiterscheinungen der posturalen Instabilität sowie eine gründliche körperliche Untersuchung stellen also eine wichtige Basis für die Diagnostik dar. Auch Informationen zu den veränderbaren Faktoren wie Umweltbelastungen, ungesunde Lebensweise (zum Beispiel Alkoholkonsum, Zigaretten, ungesunde Ernährung), chemische Belastungen durch Pestizide oder Stress und nicht veränderbaren Risikofaktoren wie das zunehmende Lebensalter sind wichtig für eine individuelle Behandlung.
Ergänzend können Labortests und andere Tests sowie bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) zur Unterstützung der Diagnose eingesetzt werden. Zur Überprüfung des Gleichgewichts bei der posturalen Instabilität können folgende Tests zum Einsatz kommen:
Die Behandlung der Haltungsinstabilität bei Parkinson gestaltet sich als schwierig, da im Rahmen einer medikamentösen Therapie eine Dopaminersatztherapie oft nicht die positive Wirkung entfaltet, wie es bei anderen motorischen Symptomen der Parkinson-Krankheit der Fall ist. Tremor, Rigor, Bradykinese und Akinese (hochgradige Bewegungsarmut) sprechen gut auf Medikamente wie zum Beispiel Levodopa (L-Dopa), Dopaminagonisten, MAO-Hemmer oder COMT-Hemmer an. Auch operative Eingriffe wie eine Tiefe Hirnstimulation (THS) oder eine Pumpentherapie können oft bei der posturalen Instabilität nicht helfen. Was können Sie also tun, wenn Sie unter einer Haltungsinstabilität mit Gleichgewichtsstörungen leiden und die medizinische Unterstützung schwierig ist?
Eine gute Sturzprophylaxe ist ein sehr wichtiger Baustein der Therapie, denn damit können Sie dazu beitragen, dass Ihr selbstständiges Leben möglichst lange erhalten bleibt. Um gefährliche Stürze zu vermeiden, sollten sie folgende Tipps berücksichtigen:
Um Risiken für Stürze zu minimieren und eine individuelle Behandlung auf Basis persönlicher Bedürfnisse abzustimmen, können auch unterstützende Maßnahmen wie die Physiotherapie und Ergotherapie oder eine Psychotherapie hilfreich sein.
Gut zu wissen: Sowohl die Physiotherapie als auch die Ergotherapie schulen Parkinson-Patient:innen mit posturaler Instabilität darin, bei Stürzen “richtig zu fallen”, um das Verletzungsrisiko möglichst gering zu halten und auch nach dem Sturz wieder auf die Beine zu kommen.
Eine Dopaminersatztherapie beeinflusst die posturale Instabilität geringfügig. Der Verzicht von Benzodiazepinen, also verschreibungspflichtigen Medikamenten, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt werden, oder Anticholinergika, die das parasympathische Nervensystem hemmen, hat sich in Untersuchungen als positiv herausgestellt.
Möglicherweise sind Arzneien wie Droxidopa, ein Prodrug (Propharmakon) gegen Parkinson hilfreich und können die Anzahl von Stürzen verhindern. Prodrugs sind Arzneistoffe in inaktiver Form, die erst im Körper umgewandelt und wirksam werden. Beim Passieren der Blut-Hirn-Schranke wird Droxidopa zu dem Botenstoff Noradrenalin umgewandelt. Das Medikament kommt beispielsweise bei Schwindel zum Einsatz oder wenn der Blutdruck beim Aufstehen (vom Liegen oder Sitzen) durch eine mangelnde Ausschüttung von Noradrenalin abfällt (Neurogene orthostatische Hypotonie) – beides sind Symptome der Parkinson-Krankheit, die das Sturzrisiko reduzieren. Bei der medikamentösen Behandlung der Haltungsinstabilität sind noch weitere Forschungen nötig.
Klinische Studien und Metaanalysen weisen darauf hin, dass die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) ergänzend zu unterschiedlichen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt werden und möglicherweise zu einer Verbesserung führen kann. Unter anderem bei der Behandlung von Migräne zur Schmerzreduktion, bei Morbus Parkinson und der Haltungsinstabilität zur Verbesserung der kognitiven Funktion, oder bei Angststörungen zur Verbesserung der Symptomatik.
Bei der tDCS handelt es sich um eine elektrische Therapieform (Elektrostimulation) und ein nicht-invasives Verfahren, bei der sich zwei Elektroden an der Kopfhaut befinden, die einen schwachen, konstanten Strom durch die Schädeldecke zu den Nervenzellen des Gehirns weiterleiten.