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Wir möchten Sie über das zentrale Parkinson-Symptom informieren: Was genau verbirgt sich hinter einem Rigor bei Parkinson? Was sind die Ursachen für die Muskelsteifigkeit, wie zeigt sich das motorische Symptom bei Morbus Parkinson noch und welche Therapien können zum Einsatz kommen, um die Beschwerden zu lindern und das Leben mit Parkinson zu erleichtern?
Der Rigor ist neben dem Tremor (Zittern) und der Bradykinese (Bewegungsverlangsamung) eines der Kardinalsymptome der Parkinson-Krankheit. Ursprünglich gehörte die posturale Instabilität (Haltungsinstabilität) bis zur aktualisierten Leitlinie (2025) auch zu den Kardinalsymptomen der Parkinson-Krankheit. Rigor steht als medizinischer Begriff für Muskelstarre oder Muskelsteifigkeit. Im Normalfall entspannen sich unsere Muskeln wieder, nachdem sie angespannt waren. Dieses Wechselspiel zwischen Anspannung von Muskeln und Entspannung läuft automatisch ab. Bei Morbus Parkinson ist dieser feine Mechanismus gestört. Die Folge ist eine verstärkte Grundspannung in der Skelettmuskulatur.
Der erhöhte Muskeltonus beim Rigor ist sowohl im Ruhezustand, bei Bewegungen als auch bei passiven Bewegungen, zum Beispiel der Arme oder Beine, als dauerhafter Widerstand spürbar. Das Steifigkeitsgefühl wird von Betroffenen am ganzen Körper empfunden und wird teilweise von zunehmenden Missempfindungen begleitet.
Zu Beginn der Parkinson-Krankheit ähnelt der Rigor einer Spastik, bei der ebenfalls die Kontrolle über die Muskeln verloren geht. Aber es gibt wesentliche Unterschiede zwischen Rigor und Spastik – diese Differenzierung ist besonders im Anfangsstadium besonders wichtig für die Diagnose Morbus Parkinson.
Rigor und Spastik – beide Phänomene zeigen sich in Form einer erhöhten Muskelspannung ganzer Muskelgruppen. Sie können auch gleichzeitig auftreten und sind nicht leicht zu unterscheiden:
Bei einer Spastik liegt eine Schädigung des zentralen Nervensystems (ZNS) vor. Sie tritt in den meisten Fällen im Rahmen eines Schlaganfalls auf. Charakteristisch für eine Spastik ist, dass die Muskelsteifheit von der Geschwindigkeit einer Bewegung beeinflusst wird. Nimmt das Tempo zu, versteifen sich die Muskeln immer stärker und die Bewegungen in den betroffenen Gebieten werden immer schwieriger.
Beim Rigor hingegen besteht eine Störung des extrapyramidalmotorischen Systems (EPMS). Das EPMS besteht aus verschieden Hirnabschnitten, die funktionell miteinander zusammenhängen. Zum Beispiel gehören der prämotorische Kortex, eine Region der Hirnrinde, der für die Planung und Organisation von Bewegungen zuständig ist, die Basalganglien, der Nucleus ruber (roter Kern), eine wichtige Schaltstelle des motorischen Systems sowie das Neocerebellum (Hinterlappen des Kleinhirns) dazu.
Sie umfassen alle Steuerungsvorgänge unserer Bewegungen (Motorik) und verbinden verschiedene Bereiche des ZNS mit dem Rückenmark: Es sind die ins Rückenmark ziehende motorische Bahnen, die für die willkürliche, also bewusste Steuerung der Motorik und Feinmotorik zuständig sind – von der Großhirnrinde bis zu unseren Muskeln.
Beim Rigor kommt es durch die extrapyramidale Störung zu einer Zunahme oder Reduzierung von Bewegungen, die gleichzeitig mit einem erhöhten Spannungszustand der Muskeln einhergehen. Der Widerstand der Muskeln tritt im Unterschied zur Spastik unabhängig von der Geschwindigkeit der Bewegung auf, also auch im Ruhezustand, bei langsamen oder schnellen Bewegungen sowie bei passiven Bewegungen. Ein weit verbreiteter Begriff dafür ist die englische Bezeichnung: “ead-pipe (muscle) rigidity“, was die Muskelsteifigkeit mit dem Biegen eines Stahlrohres vergleicht.
Die genaue Entstehung eines Rigors bei Parkinson ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Eine wichtige Rolle dabei spielen aber wohl das extrapyramidale und pyramidale System, die sich wechselseitig beeinflussen. Das extrapyramidale System steuert zusammen mit dem Kleinhirn die unwillkürlichen Bewegungen, das pyramidale System hingegen vermittelt die willkürliche Motorik. Sie sorgen dafür, dass unsere Muskeln eine gewisse Grundspannung haben, einen sogenannten Ruhetonus. Beim Rigor liegt eine Störung des extrapyramidalen Systems vor – in der Regel durch den Parkinson-bedingten Dopaminmangel.
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen in der schwarzen Substanz (Substantia nigra) – im Bereich des Mittelhirns absterben, die den Botenstoff Dopamin bilden. Betroffen ist also genau die Hirnregion und die dazugehörigen Bereiche wie Basalganglien, die für die Steuerung unserer Bewegungen verantwortlich sind. Aufgrund eines Dopaminmangels ist die Informationsübertragung zu unseren Muskeln gestört. Es gelangen keine Signale mehr zu den Muskeln, was mit der Zeit eine Muskelsteifigkeit hervorrufen kann.
Weiter vermuten Mediziner:innen, dass der Rigor möglicherweise durch überaktive Reflexe verursacht wird, zum Beispiel durch eine schnelle Dehnung eines Muskels. Der Dehnungsreflex ist die schnellste Reaktion unseres Nervensystems auf eine Dehnung.
Viele von uns haben den Reflex bestimmt schon einmal in einer Arztpraxis kennengelernt: Der Arzt oder die Ärztin klopft mit einem Reflexhammer auf die Sehne des Knies und das Bein schnellt reflexartig in die Höhe. Der sogenannte Long-loop-Reflex – die automatische motorische Antwort auf eine Muskeldehnung – ist bei Parkinson-Patient:innen verstärkt und überaktiv. Möglicherweise kann so eine Überaktivität von Reflexen dann auch einen Rigor hervorrufen.
Charakteristische Symptome des Rigors sind eine dauerhafte Anspannung der Beuge- und Streckmuskeln, ein erhöhter Muskeltonus, der unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit auftritt und unveränderbar ist, ein erhöhter Widerstand bei aktiven Bewegungen, Schmerzen und Missempfindungen als Begleiterscheinung.
Besonders an Muskelgruppen von Schulter und Armen sowie im Becken-Oberschenkelbereich bemerken Parkinson-Patienten die Muskelsteifigkeit – aber die Verspannungen können auch die Muskulatur der gesamten Wirbelsäule betreffen. Die Muskelkraft bleibt beim Rigor erhalten. Typisch für die Muskelsteifigkeit ist, dass sie stärker an den körpernahen Muskeln (Oberarme, Schultern, Oberschenkel) auftritt und weniger ausgeprägt an den körperfernen Muskeln (Unterarme, Unterschenkel) ist. Typische Anzeichen eines Rigors sind:
Die Spannung in der Streck- und Beugemuskulatur ist auch ein Auslöser für die manchmal seitwärts geneigte und häufig gebeugte Körperhaltung mit leicht gebeugten Knien und angewinkelten Ellenbogen vieler Parkinson-Erkrankten. Die gebückte Haltung kann zudem für die Schmerzen im Nackenbereich verantwortlich sein oder diese verstärken.
Durch die dauerhafte Anspannung der Muskeln beim Rigor werden Bewegungen deutlich schwerer und auch Nerven können einklemmen, was Schmerzen und Missempfindungen verursachen kann. Chronische Schmerzen und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit schränken die Lebensqualität mitunter stark ein. Die Zeichen des Rigors und die Begleitsymptome sind bei jedem Betroffenen individuell ausgeprägt.
Das sogenannte Zahnradphänomen tritt als typisches Zeichen besonders bei Morbus Parkinson in Erscheinung und stellt eine Sonderform des Rigors dar. Bei dem Phänomen kommt es zu einem kurzen, ruckartigen Nachgeben des Muskeltonus während einer Bewegung. Die Bewegung verläuft dann abgehackt – als würde ein Zahnrad einrasten. Für einen kurzen Moment gibt der Muskeltonus nach und die betroffenen Bereiche können sich für diese Zeit normal bewegen. Kurz darauf nimmt die Anspannung jedoch wieder zu und die Bewegung rastet erneut ein.
Die Diagnose des Rigor können ein Neurologe, eine Neurologin oder Physiotherapeut:innen stellen, denn das Symptom ist relativ leicht zu überprüfen. Sie erkennen die Muskelsteifigkeit an der erhöhten Muskelspannung im Entspannung- und Ruhezustand. Mit verschiedenen, einfachen Tests kann die Diagnose gestellt werden:
Interessant: Der Rigor kann auch bei einer sehr langsam ausgeführten passiven Bewegung ausgelöst werden, denn das Symptom erscheint unabhängig vom Tempo der passiven Bewegung.
Wichtige Bausteine der Therapie eines Rigors sind die medikamentöse Behandlung, eine gerätegestützte Therapie und viele nicht-medikamentöse Maßnahmen.
Die medikamentöse Therapie ist der wichtigste Grundpfeiler der Parkinson-Krankheit. Dabei kommen Medikamente zum Einsatz, die auf unterschiedliche Weise den Dopaminspiegel im Gehirn erhöhen oder ähnlich wirken wie Dopamin und dadurch die Symptome, die durch den Dopaminmangel hervorgerufen werden, lindern. Die wichtigsten Medikamente zur Linderung der Parkinson-Symptome, wie zum Beispiel Rigor, sind Levodopa (L-Dopa), Dopaminagonisten, MAO-Hemmer und COMT-Hemmer.
Die Tiefe Hirnstimulation (THS) und eine Pumpentherapie kommen dann unterstützend zum Einsatz, wenn Medikamente im weiteren Krankheitsverlauf nicht mehr ausreichend ihre Wirkung entfalten können. Ziel beider Therapien ist es, die Wirkschwankungen von Medikamenten zu verbessern und damit die Wirkung zu stabilisieren:
Zu den nicht-medikamentösen Therapien, die bei dem Kardinalsymptom Rigor unterstützend eingesetzt werden können, gehören die Physiotherapie und Ergotherapie.
Physiotherapeut:innen geben Ihnen spezielle Bewegungsübungen und Lockerungsübungen mit an die Hand, die dabei helfen sollen, die Muskelsteifigkeit zu reduzieren und so die Beweglichkeit zu erhalten und zu steigern. Das regelmäßige Dehnen der Muskeln ist auch ein wichtiger Part, um die steifen Muskeln aufzulockern. Die Physiotherapie trägt auch zur Verbesserung des Gleichgewichts und Gangbildes bei.
Im Rahmen der Ergotherapie werden alltägliche Bewegungsroutinen geübt, wie zum Beispiel das An- und Ausziehen, Schuhebinden, Toilettengänge, die Zubereitung von Essen, der Umgang mit Besteck und vieles mehr. Ergotherapeut:innen informieren Sie auch über die vielen speziellen Hilfsmittel, die das Leben mit Parkinson erleichtern und zeigen, wie Sie mit den Alltagshelfern richtig umgehen.
Beide Therapien dienen zudem der Sturzprophylaxe und helfen dabei, das Sicherheitsgefühl und die Selbstständigkeit im Alltag zu verbessern.
Was können Sie noch im Alltag tun, um besser mit der Muskelsteifigkeit umzugehen, die eine direkte Folge des Dopaminmangels im Gehirn ist? Versuchen Sie, Ihr Leben möglichst aktiv zu gestalten: Regelmäßige Bewegung und Sport (zum Beispiel Tischtennis oder Boxen), eine gesunde, ausgewogene Ernährung, Massagen und Entspannungsmethoden (zum Beispiel Yoga, Progressive Muskelentspannung) gegen Stress oder der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen beeinflussen Ihr körperliches und psychisches Wohlbefinden positiv.