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Hier erfahren Sie, welche Impulskontrollstörungen beim Parkinson-Syndrom entstehen können, was die Ursachen sind und welche Behandlung Ihnen zur Verfügung steht – und was außer der medikamentösen Therapie noch hilft, um die Sucht in den Griff zu bekommen.
Das amtliche Klassifikationssystem ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bündelt unter dem Begriff Impulskontrollstörung eine Gruppe von verschiedenen Erkrankungen. Verhaltenssüchte, wie sie auch bei Parkinson auftreten können, ordnet das ICD-10 als „nicht näher bezeichnete Störungen der Impulskontrolle“ ein. Ein Merkmal für Verhaltenssüchte ist, dass die betroffenen Menschen grundsätzlich normale Verhaltensweisen übermäßig häufig durchführen – obwohl kein Anlass besteht. Die Betroffenen haben die Kontrolle über ihre Impulse verloren. Scham und Schuldgefühle gehen oft mit einer Impulskontrollstörung einher.
Im Folgenden stellen wir charakteristische Impulskontrollstörungen vor, die als Nebenwirkungen einer Dopamin-Therapie auftreten können: Kaufsucht, Spielsucht, Sexsucht und pathologisches Essen. Nicht beide Geschlechter sind von den Impulskontrollstörungen gleichermaßen betroffen. Männer neigen zur Spiel- und Sexsucht, während Frauen eher Kaufsucht und Essattacken entwickeln. Nicht wenige Patient:innen leiden sogar unter mehreren Impulskontrollstörungen. Wenn etwa Spiel- und Kaufsucht gemeinsam auftreten, kann diese Kombination zu ernsthaften finanziellen Problemen führen.
Der Kleiderschrank platzt aus allen Nähten, trotzdem wird ein fünfter Bademantel bestellt, weil er so schön kuschelig aussieht. Ständig wird das Internet auf der Suche nach neuen Angeboten durchforstet. Nur ein Klick, und schon werden neue Toaster, schicke Schuhe und das neueste Handy ins Haus geliefert. Eine kaufsüchtige Person hat ihr Verhalten nicht mehr unter Kontrolle. Die finanziellen Konsequenzen werden ausgeblendet. Die Betroffenen kaufen wie ferngesteuert ständig neue Dinge – ohne sie wirklich zu brauchen.
Bei der Kaufsucht löst der Vorgang des Kaufens oder Bestellens ein starkes Glücksgefühl aus und nicht das erworbene Produkt. Diese Merkmale kennzeichnen pathologisches Kaufen:
Glücksspiele, aber auch Computerspiele, können zu pathologischen Spielen verleiten. Schätzungsweise fünf Prozent der Parkinson-Patient:innen entwickeln eine Spielsucht mit meist exzessiver Internet- und Handynutzung. Beim Glücksspiel bevorzugen die Betroffenen häufig Spiele, die auf Glück beruhen und nicht sehr anspruchsvoll sind: Lotto, Roulette, Spielautomaten oder Rubbellose. Auch Internet-Glücksspiele fallen unter diese Kategorie.
Wie bei anderen Suchterkrankungen versuchen die Betroffenen, ihr Problem zu verheimlichen – zumal sie davon überzeugt sind, ihre Spielsucht im Griff zu haben und dass die nächste Wette den ersehnten Gewinn bringen wird. Das Gegenteil trifft fast immer ein: Das Risiko, Geld beim Glücksspiel zu verlieren, ist sehr hoch und kann zu gravierenden finanziellen sowie beruflichen und persönlichen Konsequenzen führen. Diese Verhaltensweisen sind charakterisch für pathologisches Spielen:
Diese Impulsstörung ist von einer ständigen sexuellen Übererregtheit geprägt, die den Alltag und das Zusammenleben mit den Partner:innen stark belasten kann. Die Betroffenen verspüren einen starken Sextrieb, besuchen stundenlang Pornographieseiten im Internet oder wollen ständig Sex, obwohl sie körperlich dazu nicht in der Lage sind. Die Familie, der Beruf und die sozialen Beziehungen werden vernachlässigt. Betroffene haben meist kein Gefühl für ihr schädigendes Verhalten und blenden mögliche Gefahren aus, wie die Familie zu verlieren oder den Arbeitsplatz.
Wie bei allen Impulskontrollstörungen leiden die Angehörigen mit. Manchmal still, auch weil Sexualität immer noch zu den Tabuthemen gehört, ”über die man nicht spricht”. Da den Betroffenen aufgrund ihrer Suchterkrankung meistens die Einsicht fehlt, sollten ihre Partner:innen die Initiative übernehmen und das Gespräch mit dem betreuenden Arzt oder der Hausärztin suchen. Diese Verhaltensweisen sprechen für Sexsucht:
Einige Parkinson-Patient:innen entwickeln eine Esssucht in Verbindung mit unkontrollierbaren Heißhungerattacken. Nach den Essanfällen verspüren die meisten Reue. Auch nehmen viele aufgrund der übermäßigen Nahrungsaufnahme an Gewicht zu. Das Verhalten bei einer Esssucht ähnelt dem sogenannten Binge-Eating. Bei dieser Essstörung verlieren die Betroffenen die Kontrolle über ihr Essverhalten, essen innerhalb kurzer Zeit übermäßig viel und über die Sättigungsgrenze hinaus. Der entscheidende Unterschied zu Parkinson-Patient:innen: bei diesen lösen Dopamin-Medikamente die Essattacken aus. Diese häufigen Merkmale sind kennzeichnend für pathologisches Essen:
Verschiedene Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Levodopa (L-Dopa) und Dopaminagonisten und dem Auftreten von Verhaltenssüchten bei Morbus Parkinson gezeigt. Bei dieser neurodegenerativen Erkrankung verbessert Dopamin typische Bewegungsstörungen wie Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), Rigor (Muskelsteifigkeit) oder Tremor (Zittern). Aber die Medikamente, die den Dopaminmangel im Gehirn ausgleichen und die Parkinson-Symptome lindern, können bei einem kleinen Teil der Betroffenen als Nebenwirkung suchtartiges Verhalten auslösen. Hier spielt der Botenstoff Dopamin ebenfalls eine entscheidende Rolle.
Dopamin wirkt sich nicht nur auf die Bewegungssteuerung aus, der Botenstoff übernimmt auch eine wichtige Funktion im Belohnungssystems des Gehirns. Der Neurotransmitter ist dafür zuständig, dass wir Glücksgefühle empfinden können, etwa beim Erreichen eines Ziels. Vor allem bei plötzlichen, freudigen Ereignissen wird Dopamin ausgeschüttet und sorgt für starke Glücksgefühle. Dieser Effekt motiviert unser Gehirn, bestimmte Verhaltensweisen zu wiederholen, um dieses Gefühl wieder zu erleben. Diesen stimmungsaufhellenden Effekt rufen oft auch Dopamin-Ersatzmedikamente hervor, wie viele Patient:innen berichten.
In manchen Fällen kann Dopamin jedoch Impulskontrollstörungen auslösen. Der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt. Auch nicht, warum manche Parkinson-Betroffene als Nebenwirkung von Parkinson-Medikamenten ein Suchtverhalten entwickeln und andere nicht. Jedoch scheint es individuelle Risikofaktoren für die Entwicklung von Verhaltenssüchten zu geben:
Seltenes Phänomen Impulskontrollstörungen Das Risiko, eine Verhaltenssucht als Nebenwirkung von Parkinson-Medikamenten zu entwickeln, tritt zum Glück selten auf. Schätzungsweise fünf bis maximal zehn Prozent der Parkinson-Patient:innen entwickeln Impulskontrollstörungen. Das entspricht in etwa dem Anteil in der gesunden Bevölkerung.
Das Risiko, eine Verhaltenssucht als Nebenwirkung von Parkinson-Medikamenten zu entwickeln, tritt zum Glück selten auf. Schätzungsweise fünf bis maximal zehn Prozent der Parkinson-Patient:innen entwickeln Impulskontrollstörungen. Das entspricht in etwa dem Anteil in der gesunden Bevölkerung.
Das Fatale an Süchten ist, dass die Betroffenen sich oftmals nicht eingestehen können oder wollen, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden – insbesondere wenn Gefühle wie Scham und Reue das Verhalten begleiten. Die meisten versuchen, ihre Sucht möglichst lange zu verheimlichen. In vielen Fällen bemerken die Angehörigen erst nach einer gewissen Zeit, dass etwas nicht in Ordnung ist. Etwa wenn der Partner nicht mehr vom Computer wegzukriegen ist oder das Konto auf einmal ständig überzogen wird.
Wer bei sich oder seinem Partner, bzw. Partnerin, bemerkt, dass diese Verhaltensweisen mit dem Beginn der Dopamin-Therapie zusammenfallen, sollte mit den behandelnden Hausärzt:innen und Neurolog:innen sprechen. Dann ist eine Impulskontrollstörung als Nebenwirkung der medikamentösen Therapie sehr wahrscheinlich. Oft hilft es schon, die auslösenden Medikamente zu reduzieren, abzusetzen oder durch andere zu ersetzen.
Allerdings kann es beim Absetzen oder Reduzieren von Dopaminergika zu einer Verstärkung der motorischen Parkinson-Symptome kommen. Deshalb muss immer individuell entschieden werden, welche Medikation den Patient:innen am besten hilft. Denn ein abruptes Absetzen der Dopaminagonisten kann auch zu Entzugssymptomen führen, wie:
Da die Impulskontrollstörungen bei Parkinson zu den Verhaltenssüchten zählen, kann zusätzlich psychologische Unterstützung sinnvoll sein, zum Beispiel eine Verhaltenstherapie. Darüber hinaus können weitere Angebote wie Ernährungsberatung, Achtsamkeitstraining oder ein auf Parkinson zugeschnittenes Sportprogramm den Betroffenen helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.