Über Parkinson
Ursachen
Symptome
Diagnose
Verlauf
Behandlung
Medikamentöse Behandlung
Gerätegestützte Behandlung
Unterstützende Therapien
Leben mit Parkinson
Ernährung
Sport und Bewegung
Hilfsmittel
Parkinson-Zentren
Prof. Dr. med. Carsten Eggers ist Facharzt für Neurologie mit Weiterbildung in spezieller neurologischer Intensivmedizin. Seine Spezialgebiete sind die Schlaganfallmedizin und die Neurologischen Bewegungsstörungen, insbesondere die Parkinsonerkrankung. Er hat dort besondere Expertise in der Bildgebung, der Therapie mit Medikamentenpumpen und Tiefer Hirnstimulation sowie innovativen Versorgungsformen (integrierter Versorgung).
Die Behandlung von Parkinsonerkrankten war schon sehr früh während meiner Ausbildung als Facharzt für Neurologie einer der Schwerpunkte. Ich war immer an Universitätskliniken tätig und bin langsam hineingewachsen. Am Anfang stand noch die klinische Versorgung im Vordergrund, woraus sich mein Forschungsschwerpunkt entwickelt hat. Es hat mich von Anfang an fasziniert, dass es bei der Parkinsonerkrankung noch immer so viel Unentdecktes gibt – sowohl in der Grundlagenwissenschaft als auch in Versorgungsfragen. Mein Hauptaugenmerk lag zuerst auf der Bildgebung: Welche Bildmuster können wir im MRT oder in der PET-Bildgebung bei neurodegenerativen Erkrankungen sehen? Daraus entwickelte sich immer mehr die Frage, wie man die tatsächliche Versorgung von Parkinsonerkrankten und deren Angehörigen verbessern können.
Auch das war ein organisches Hineinwachsen. Ich habe immer an Schwerpunktzentren gearbeitet, die sich insbesondere mit komplex erkrankten Parkinson-Patient:innen beschäftigt haben. Aufgrund des Patientenkollektivs, das ich und wir behandelt haben und auch aktuell behandeln, gehören diese spezialisierten Therapieverfahren in unseren Versorgungsalltag. Vor allem die Pumpentherapie ist dabei in den letzten Jahren noch stärker in den Fokus gerückt. Ausschlaggebend dafür war unter anderem die neu zugelassene Subkutane L-Dopa-Therapie, die erst in diesem Jahr auf den deutschen Markt gekommen ist, und die wir schon mehrfach und mit tollen Erfolgen angewandt haben. Die Tiefe Hirnstimulation ist immer ein Partnerprojekt von Neurologie und Neurochirurgie – die Neurolog:innen wählen die Patient:innen aus und betreuen sie vor und nach der Operation, während die Neurochirurg:innen die eigentliche Operation durchführen.
Dieses Verfahren ist nur für ein bestimmtes, selektiertes Klientel geeignet. Es wird nicht angewandt bei Patient:innen, die ganz frisch diagnostiziert sind oder sich schon in der spätesten Krankheitsphase befinden. Es zeigt allerdings sehr gute Erfolge bei Patient:innen, die sogenannte Wirkfluktuationen haben – also Schwankungen im Tagesverlauf ihrer Symptomatik, oder Patient:innen, die unter einem ausgeprägten Tremor leiden. Wichtig ist dabei immer, dass die vorhandenen Symptome auch auf Medikation ansprechen müssen. Ausschlusskriterien sind hingegen ausgeprägte psychische oder psychiatrischen Begleiterscheinungen, schwere Depressionen oder Halluzinationen.
Die größte Herausforderung ist, dass wir nach wie vor nur die Symptome behandeln und die Krankheit nicht an der Wurzel packen können. Aus meiner Sicht müssen wir da in den nächsten Jahren in der Forschung große Schritte nach vorn machen. Wir behandeln aktuell sehr effektiv und gut die Symptomatik, aber wir schaffen es immer noch nicht, die Erkrankung zu verlangsamen oder sogar zum Stillstand zu bringen.
Aber auch ganz basale Versorgungsfragen im Alltag der Erkrankten werden immer wieder zu Recht kritisiert. In einigen Bereichen herrscht eine Überversorgung, in anderen hingegen werden die Möglichkeiten nicht ausgenutzt. Das so zu nivellieren, dass die Patient:innen von den bestehenden Behandlungsmöglichkeiten bestmöglich profitieren können, ist eine weitere Herausforderung. Das Ziel muss es sein, einen optimalen Versorgungspfad zu entwickeln, sodass die Patient:innen von Anfang bis Ende gut versorgt sind und die bestehenden Ressourcen bestmöglich genutzt werden. Die Herausforderung liegt dabei vor allem im Zusammenspiel von stationärer und ambulanter Versorgung, sowie zwischen Ärzt:innen und Therapeut:innen.
Es haben sich viele kleine Dinge verbessert. Es gab keine signifikanten Meilensteine, aber Feinjustierungen im Bereich der Tiefen Hirnstimulation oder Verbesserungen in der Pumpentherapie haben dennoch zur Verbesserung der Lebensqualität von Erkrankten beigetragen. Man kann sich das vorstellen, wie ein Puzzle, bei dem man immer mal wieder ein fehlendes Teil findet und das große Ganze langsam komplementiert.
Außerdem hat sich in den letzten Jahren immer stärker herauskristallisiert, dass nicht nur die medikamentöse Therapie der wichtigste Baustein in der Behandlung ist, sondern vor allen Dingen auch die nicht-medikamentösen Therapien: Es ist entscheidend, die Patient:innen in Bewegung zu halten oder wieder dahin zu bringen. Daraus resultierend entstehen Effekte, die die Erkrankung verlangsamen oder die Konsequenzen abschwächen können. Mit besseren motorischen Fähigkeiten steigert sich die Lebensqualität. Parkinson ist eine Erkrankung, bei der die Patient:innen ganz viel selbst machen können und müssen. Auch die Selbstwirksamkeit und das Selbstmanagement der Patient:innen hat sich in den letzten Jahren entscheidend verbessert.
Der tatsächliche Anteil der Erkrankten unter 40 Jahren ist immer noch sehr klein und meist auf andere Ursachen zurückzuführen. Typischerweise sind jung Erkrankte genetische Träger:innen von Mutationen, aber diese sind extrem selten. Dennoch stimmt es, dass es eine wachsende Zahl von Parkinsonerkrankten gibt, die aber aufgrund von zwei Faktoren zu erklären ist: Punkt eins ist die Demografie. Die Menschen werden immer älter, und je älter man wird, desto wahrscheinlich wird eine Parkinsonerkrankung. Außerdem ist auch das diagnostische Auge besser geworden, es werden mehr Menschen diagnostiziert. Die sogenannte Parkinsonpandemie, von der zwischenzeitlich gesprochen wurde, ist ein Stück weit relativiert worden. Es gibt einen leichten Anstieg und auch eine Zunahme der Erkrankungen durch Umweltfaktoren. Die kann man als gegeben ansehen, aber es wurde kein sprunghafter Anstieg verzeichnet.
Die DPG ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, die sich als wissenschaftliches Fachorgan versteht und mit wissenschaftlichen Fragenstellungen auseinandersetzt. Sie ist aber kein Patientenorgan. Aus der Gesellschaft heraus hat sich später auch die Parkinsonstiftung als Patientenorgan entwickelt. In der Stiftung sind die Themen angesiedelt, die Erkrankte und Angehörige betreffen, während die Parkinson Gesellschaft als Sprachrohr des medizinischen Fachpersonals fungiert. Sie fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs und stößt größere Forschungsprojekte an. Außerdem veranstalten wir den Deutschen Parkinsonkongress und arbeiten an den Leitlinien mit.
Ludwig ist ein Magyar Vizsla (Ungarischer Vorstehhund) und ausgebildeter Therapiehund. Er arbeitet gemeinsam mit mir vor allem mit Parkinsonpatient:innen.
Das ist immer eine Teamveranstaltung und relativ aufwändig. Man braucht einen Physio- oder Ergotherapeuten, den Hundeführer und natürlich Ludwig. Ludwig wird bei den Kardinalsymptomen eingesetzt, also alles, was Bewegungsverlangsamung, -förderung und -initiierung angeht. Der Hund ist dabei vor allem ein Motivator, mit dem es mehr Spaß macht. Die Patient:innen bauen beispielsweise einen Turm aus weichen Kartons und verstecken dabei Leckerlis. Ludwig darf den Turm dann umschmeißen und die Leckerlis suchen. Er ist einfach dabei, kommentiert die Aufgaben vielleicht lautstark und verbreitet Freude. Dadurch strengen sich die Patient:innen so richtig an. Aber auch wenn sich das alles nach viel Spaß anhört, ist es für den Hund echte Arbeit und sehr anstrengend. Deshalb arbeitet er auch nur Teilzeit.
Mein großes Ziel ist es, die Wirksamkeit der Hundetherapiestunden wissenschaftlich zu untersuchen und hoffentlich belegen zu können, dass sie einen klaren Mehrwert bieten. Das Interesse ist von vielen Seiten da und wir bekommen viele Anfragen diesbezüglich. Dann wäre es natürlich von Vorteil, wenn wir den Erfolg der Therapie wissenschaftlich mit Zahlen belegen könnten.
Der Austausch und die Zusammenarbeit sind extrem wichtig, da jede Disziplin einen sehr hohen Stellenwert hat. Die Pflegekräfte zum Beispiel verbringen viel mehr Zeit mit den Patient:innen und haben ein sehr gutes Auge für die Symptome und Veränderungen. Aber auch alle therapeutischen Disziplinen haben eine enorme Bedeutung, nicht nur im stationären Bereichen, sondern auch im ambulanten. Die Zusammenarbeit kann sehr unterschiedlich aussehen. Im Krankenhaus ist es einfacher, weil die Wege kurz sind, man sich persönlich kennt, regelmäßige Teambesprechungen stattfinden und ein enger Austausch mit den Patient:innen erfolgt. Sobald die Parkinsonerkrankten in die ambulante Behandlung wechseln, wird die Kommunikation deutlich schwieriger.
Wir haben dazu eine umfassende Cochrane-Analyse gemacht, welche Therapieform sich zur Verbesserung der motorischen Symptome der Parkinson-Erkrankung eignet und haben alle zur Verfügung stehenden Daten mit einbezogen. Das ermutigende Ergebnis war: Es hilft alles. Egal, ob Yoga, Martial Arts, Laufbahntraining, klassische Physiotherapie oder Tangotanzen. Es gibt nicht die eine Therapie, es hängt sehr von den persönlichen Präferenzen und individuellen Symptomen ab. Was man aber in diesem Fall sagen kann: Viel hilft viel. Das empfohlene Bewegungsminimum liegt bei dreimal die Woche 30 Minuten trainieren, aber öfter ist noch besser.
Solange es die App schafft, mit Spaß an der Sache einen positiven Effekt zu erzielen, halte ich das für durchaus möglich. Die Patient:innen müssen den Erfolg selbst spüren können und am Ball bleiben wollen. Was ich besonders spannend finde im Bereich digitale Unterstützung, sind smarte Erkennung von Änderungen der Symptomatik, vielleicht auch durch Bewegungssensoren ermöglicht. Für die Zukunft könnte das einen positiven Versorgungseffekt haben.
Für die überwiegende Mehrzahl der Patient:innen ist der größte Wunsch, möglichst lange im häuslichen Umfeld zu bleiben. Und dazu brauchen wir ein Umfeld, das dem Rechnung trägt. Wie können wir die Patient:innen da abholen, wo sie leben? Das ist während der Pandemie zum Teil schon durch digitale Visiten möglich geworden. Aber auch aufsuchende Modelle, bei denen Gesundheitsversorger:innen nach Hause kommen und sich die Patient:innen im häuslichen Umfeld ansehen, gewinnen an Zuwachs.
Wir Ärzte und Ärztinnen verlieren die Erkrankten irgendwann, wenn sie nicht mehr in die Sprechstunde kommen, oder es vielleicht auch nicht mehr schaffen. Das ist die letzte Meile der Erkrankung, wo wir wirklich schlecht sind, weil wir die Patient:innen aus den Augen verlieren und das Gesundheitssystem nicht mobil genug ist, das aufzufangen.
Die Erkrankung betrifft leider immer nicht nur einen Menschen, sondern auch den Partner oder die Partnerin und die unmittelbare Familie. Oftmals ist direkt nach Diagnosestellung ein schwieriger Zeitpunkt, weil man das Gefühl hat, dass das ganze Leben auf den Kopf gestellt wird. Aber auch die Entwicklung der Krankheit stellt alle Beteiligten immer wieder vor große Herausforderungen. Es leidet nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch der pflegenden Angehörigen. Aus diesem Grund sind die Aufklärung und Unterstützung sowohl der Patient:innen als auch des direkten Umfeldes sehr wichtig.
Es wird auf jeden Fall schon jetzt mehr darüber gesprochen. Es ist keine Nischenerkankung mehr. Gleichwohl besteht nach wie vor ein großer Aufklärungsbedarf, was Parkinsonverläufe, Erkrankungs- und Entstehungsmechanismen und vor allem die Heterogenität der Krankheit betrifft. Auch wir als Fachgesellschaft bemühen uns, diese Informationen bestmöglich für die Öffentlichkeit aufzubereiten und zu informieren.
Viele Patient:innen sind wahnsinnig froh, wenn jemand die Diagnose stellt und reagieren fast erleichtert darauf, denn die Zeit bis zur Diagnosestellung ist geprägt von Ungewissheit und kann sich auch lange hinziehen. Und wenn man dem Kind einen Namen gegeben hat, kann man den Menschen auch wieder Hoffnung geben. Parkinson ist eine Erkrankung, mit der man wirklich leben kann, es gibt viele medizinische Optionen und auch die Patient:innen selbst können sehr viel tun. Und wenn die Therapie anschlägt, ist das eine positive Entwicklung für die Erkrankten, für die sie dankbar sind und die auch einen zukunftsgewandten Blick wieder zulässt.
Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch und sind gespannt, was sich in den nächsten Jahren für Parkinsonerkrankte tun wird.