Über Parkinson
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Dr. Patricia Krause ist eine angesehene Wissenschaftlerin und Expertin im Bereich der Neurologie, die sich insbesondere mit der Parkinsonkrankheit beschäftigt. Aktuell arbeitet sie als Oberärztin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin / Sektion für Bewegungsstörungen und Neuromodulation. Ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Entwicklung und Evaluierung von innovativen Therapieansätzen, die darauf abzielen, die Lebensqualität von Parkinsonerkrankten zu verbessern.
Bereits während des Studiums habe ich gemerkt, dass mich der Fachbereich Neurologie besonders interessiert und ich Lust habe, mich einzulesen und mich damit zu beschäftigen. Während meiner erstes Famulatur – also dem ersten Praktikum, das man während des Studiums macht – war ich vier Wochen in der Neurologie der Charité und hatte u. a. mit Parkinsonerkrankten zu tun, und da hat es mich dann so richtig gepackt. Die Patient:innen haben mich interessiert und waren spannend, die Mitarbeiter:innen waren großartig, ich habe ziemlich schnell meine Peergroup gefunden und gemerkt, dass ich mich in der Neurologie wirklich zu Hause gefühlt habe.
Nach dem Studium habe ich überlegt, wo ich mich gerne bewerben möchte und mir dazu die verschiedenen Arbeits- und Forschungsgruppen an der Charité angeschaut – dabei ist mir die Bewegungsstörungsgruppe besonders aufgefallen. Mir war dabei einerseits wichtig, dass ich bei dem neurologischen Krankheitsbild Parkinson noch wirklich viel „hands on“ untersuchen kann. Ich wollte diagnostisch mit Patient:innen arbeiten, ohne auf zu viele Geräte angewiesen zu sein, ganz im Sinne der klassischen Neurologie. Zum anderen ist mir bei meiner Recherche in der Arbeitsgruppe aufgefallen, dass die Kolleg:innen mit der THS arbeiten und das war dann das Sahnehäubchen für mich. Und im Gegensatz zu der verbreiteten Meinung, dass man in der Neurologie und Parkinson nichts mehr machen könne, finde ich, dass man z. B. mit der THS bei den Patient:innen beeindruckende Veränderungen erreichen kann. Und auch, wenn Parkinson nicht heilbar ist, kann man die Parkinsonerkrankten mit viel Wissen begleiten und ihre Lebensqualität über Jahre verbessern. Das finde ich sehr erfüllend.
In der Medizin ist es immer wieder so, dass man auch zufällig über wichtige Entdeckungen stolpert. Und ein bisschen war es so auch mit der THS. Bei Operationen an neurochirurgischen Patient:innen mit Tremor und Parkinson konnte man feststellen, dass durch die Entfernung oder Zerstörung von Teilen des Gehirns, letzteres durch Hitze, bestimmte Symptome wie z. B. den Tremor lindern oder gar beheben kann. Das ist aber natürlich unwiderruflich und mögliche Nebenwirkungen sind bei solchen Verfahren nicht mehr zu revidieren. Daraus schlussfolgernd überlegte man, statt das Areal im Gehirn zu zerstören, eine Elektrode in dieses Areal (von dem wir wissen, dass es einen Einfluss auf den Tremor hat) zu implantieren und über die Anwendung eines hochfrequenten Stroms dieses, vorher definierte Areal, zu hemmen. Die Funktionsweise ist dabei ähnlich einem Herzschrittmacher – der „Hirnschrittmacher“ hemmt KH-assoziierte oder -verursachende Areale im Gehirn und lindert die krankheitsspezifischen Symptome. Wenn man die Stimulator aber ausstellt, kommen auch die Symptome wieder – es hat also nicht mehr den irreversiblen Charakter der früheren Operationen. Zudem kann man Nebenwirkungen durch individuelle Programmierungen lindern.
Alternativ wird an einigen Zentren mit einer Hochfrequenzultraschallbehandlung gearbeitet – dafür muss der Kopf nicht mehr eröffnet werden, was vor allem für ältere Patient:innen einen großen Vorteil bietet. Allerdings ist das dann wieder ein irreversibler Eingriff, bei dem die behandelten Areale im Gehirn mittels Ultraschall zerstört werden. Trotzdem kann das für ältere Patient:innen und solche, die für eine THS nicht geeignet sind, eine schonendere Alternative darstellen.
Man muss sich auf jeden Fall ganz sicher sein, dass eine Parkinsonerkrankung vorliegt – das ist bei der großen klinischen Heterogenität nicht immer ganz einfach. Etwas verallgemeinert kann man davon ausgehen, dass eine THS ungefähr das schafft, was L-Dopa erreicht. Allerdings muss man dazu sagen, dass beispielsweise auch der Tremor manchmal nicht gut auf die Medikation anspricht – insbesondere hier kann jedoch die THS ganz hervorragende Effekte erbringen. Auch für Parkinsonerkrankte mit Dyskinesien, welche mit einer THS gut gelindert werden können, stellt diese Therapie eine gute Option dar. Im Gegensatz dazu sind ausgeprägte Sprechstörungen oder Gleichgewichtsprobleme der THS oft nicht so gut zugänglich und können durch sie noch verschlechtert werden. Und auch Erkrankte mit Demenz oder signifikanten kognitiven Einschränkungen kommen für eine THS eher nicht in Frage. Nicht zuletzt muss der Patient oder die Patientin natürlich in einer körperlichen Verfassung sein, die so eine lange und komplizierte Operation überhaupt zulässt. Es ist also eine ziemlich individuelle und komplexe Entscheidung, weshalb Patient:innen bei uns ungefähr eine Woche stationär aufgenommen werden, um ihren Gesundheitszustand realistisch einzuschätzen und sie mit unserem erfahrenen Team gut beraten zu können.
Für mich müssen ganz klar die Patient:innen entscheiden, ob sie diese Operation wollen, wenn wir sie für geeignet halten. Es ist eine komplizierte Operation und irreversible Schäden können auftreten. Unsere Neurochirurg:innen erklären auch sehr klar, dass es etwa eine einprozentige Chance gibt, dass eine Hirnblutung auftreten könnte – wir treffen natürlich alle Vorkehrungen, um das zu vermeiden und die Risiken so gering wie möglich zu halten und klären die Patient:innen gut auf. Oftmals ist es auch hilfreich, wenn man mit anderen Parkinsonerkrankten spricht, die eine THS haben. Sie können viel besser darüber sprechen, was es wirklich bedeutet, sie verstehen die Ängste und können von ihren Erfahrungen aus erster Hand erzählen.
In Berlin wird die THS seit 1999 durchgeführt, die ersten Operationen gegen Tremor wurden sogar schon Ende der 1980er Jahre durchgeführt. Vor allem technisch hat sich seitdem viel weiterentwickelt. Wo eine Elektrode früher vier Ringe hatte, gibt es zudem mittlerweile, je nach Anbieter acht und mehr Kontakte mit unterschiedlichen Abständen und segmentierte Elektroden, wodurch man den Strom räumlich unterschiedlich verteilen kann, um Nebenwirkungen zu vermindern. Die Impulsgeber werden immer kleiner und leistungsfähiger. Sie sind teilweise auch schon wieder aufladbar – so können sie statt der bisherigen fünf bis sechs Jahre bis zu 25 Jahre unter der Haut verbleiben, ohne gewechselt werden zu müssen. Und auch die Handgeräte zur Bedienung für die Patient:innen sind mittlerweile viel handlicher und einfacher zu bedienen.
Wir können seit einer gewissen Weile aus den Elektroden von einer Firma die Hirnaktivität aus dem Bereich des Implantationsortes ableiten. Bei Parkinsonerkrankten wissen wir, dass im Nucleus subthalamicus die sogenannte pathologische Beta-Frequenz vorherrscht. Und wenn die Medikamente oder die THS gut wirken und die Patient:innen sich gut bewegen können, dann ist dieses Beta niedrig. Wenn sich aber die Symptome verschlimmern und die Wirkung der Medikamente nachlässt, bzw. die Stimulation der THS ausgeschaltet ist, dann ist das Beta hoch. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es etwas mit der Parkinsonerkrankung und den Symptomen zu tun haben muss.
Im wissenschaftlichen Kontext versuchen wir herauszufinden, in welcher Höhe der Elektrode das Beta am höchsten ist und ob das vielleicht der Ort ist, an dem man auf jeden Fall stimulieren sollte. In absehbarer Zukunft werden die Stimulatoren das bestenfalls selbst auslesen können und adaptiv auf das Beta reagieren können. Dadurch könnte man weniger Strom einsetzen, weil der Rhythmus besser erkannt und spezifisch auf die Symptome behandelt werden kann.
Wir haben beobachtet, dass es manchmal schwierig wird, wenn ältere Patient:innen mit wiederaufladbaren Geräten in eine Pflegeeinrichtung kommen. Sollten sie nicht mehr selbst in der Lage sein, das Gerät aufzuladen, scheitert die Benutzung oftmals daran, dass das Pflegepersonal im Umgang nicht geschult ist und die Aufgabe nicht übernimmt. In so einem Fall kann den Patient:innen dann trotz ihrer guten neuen Therapie ein enormer Nachteil entstehen.
Unsere Tagesklinik habe ich zusammen mit Frau Prof. Kühn, der Leiterin unserer Sektion für Bewegungsstörungen und Neuromodulation, aufgebaut und entwickelt. Wir sind natürlich nicht die einzige Tagesklinik in Deutschland, aber ich denke unser Konzept gibt es sonst so in der Form nicht. Wir behandeln unsere Patient:innen in der Tagesklinik über einen Zeitraum von drei Wochen, wobei es eine Gruppe gibt, die immer montags, mittwochs und freitags in der Tagesklinik ist und die andere Gruppe immer dienstags und donnerstags. Dieses alternierende Konzept hat sich als sinnvoll erwiesen, weil wir beobachtet haben, dass eine alltagsrealistische Anpassung wichtig ist. Den Patient:innen auf der Station können wir oft nicht allumfänglich gerecht werden. Es fehlt das realistische Alltagsumfeld. Es gibt nur kurze Wege, das Essen wird ihnen gebracht und sie haben wenige Einheiten Physiotherapie und Logopädie. Wenn sie in der Ambulanz sind, sehen wir sie erst drei Monate später. Sollten dann zwischenzeitlich Nebenwirkungen auftreten, realisieren die Patient:innen unsere Empfehlungen oft nicht und wir können nicht frühzeitig intervenieren.
In der Tagesklinik funktioniert das viel besser. Wenn wir eine Veränderung vorschlagen, kann man sie am nächsten Tag in seinem Zuhause oder Arbeitsumfeld umsetzen und am übernächsten Tag direkt die Rückmeldung geben, ob das funktioniert hat oder nicht und wir passen entsprechend an. Das ist einfach eine sehr realitätsnahe Behandlung. Und es ist auch recht anspruchsvoll. Zum einen müssen die Patient:innen natürlich erst einmal zu uns in die Tagesklinik kommen und dann haben sie Physiotherapie und Logopädie einzeln und als Gruppe, wir bieten Tai-Chi an und können bei Bedarf Ergotherapeut:innen oder den Sozialdienst dazuholen. Und wir haben von Anfang an auch eine Psychotherapeutin in der Tagesklinik, weil mir dieser Aspekt in der Behandlung der Patient:innen schon immer sehr wichtig war. Sie müssen die Erkrankung verstehen, sie müssen verstehen, was bei der Parkinsonerkrankung passiert und wie man sie therapieren kann und sie müssen erst einmal einen Weg für sich finden, die Erkrankung zu akzeptieren und in irgendeiner Form anzunehmen. Das können wir keinem abnehmen, aber wir können es gut unterstützen.
Wir wissen, dass wir immer ein Gefüge behandeln. Alles, was wir machen, hat Einfluss auf die Angehörigen und die Familie. Wir versuchen, diese Caregiver so gut es geht zu unterstützen und zu ermächtigen und ihnen aber auch zu zeigen, wo sie auf sich aufpassen müssen, damit es am Ende nicht nur Streit und Belastung gibt. Und darauf basierend wollen wir – das sind unsere Psychologin Frau Bereswill, Frau Dr. Reimer und ich – ein Programm entwickeln, um unsere Angehörigen zu unterstützen und so ihnen und unseren Patient:innen zu helfen. Dabei möchten wir unser Psychoedukationsprogramm, das die Parkinsonpatient:innen bereits jetzt erhalten, an die Bedürfnisse von Caregivern anpassen. Das kann man auch sehr gut digital machen, denn natürlich wollen wir den Angehörigen nicht noch eine zusätzliche Belastung zumuten. In der Zeit, in der die Erkrankten in der Tagesklinik sind, entsteht aber ein Freiraum für die Caregiver, den man dafür gut nutzen könnte.
Es ist wahnsinnig wichtig, sich Hilfe zu suchen. Das kann einerseits therapeutische Unterstützung sein, das können aber auch kleine Inseln sein, die man sich selbst schafft und bei denen man wieder auftanken kann. Wenn möglich sollte man die Betreuung aufteilen und man sollte immer gut kommunizieren, dass man auch eigene Bedürfnisse hat und wie man es hinbekommt, die auch zu erfüllen.
Das ist sehr wichtig. In der Medizin ist es mittlerweile einfach so, dass wir nicht mehr nur das eine Genius haben, das alles kann. Und das liegt nicht daran, dass die Mediziner:innen immer dümmer werden, sondern dass die Medizin einfach immer komplexer und spezialisierter wird. Und gleichzeitig haben wir besonders bei Parkinson das Problem, dass viele andere Fachrichtungen vor allem im ambulanten Rahmen eine Reihe von Symptomen immer direkt dem Parkinson zuschreiben, obwohl sie auch unabhängig davon oder aus anderen Ursachen auftreten können.
Also mit Blick auf die THS freue ich mich auf die nächsten Schritte, die uns die adaptive Stimulation ermöglichen. Wie schnell das geht, kann man jetzt noch nicht sagen, aber da wird sich definitiv etwas entwickeln und da bin ich sehr positiv gespannt.
Und gesundheitspolitisch wünsche ich mir, dass man sich den finanziellen Themen stellt. Wir bekommen immer mehr Parkinsonpatient:innen, die immer älter werden und viel länger ärztlich betreut werden müssen. Da müssen neue Abrechnungsmodelle her. Aktuell können beispielsweise niedergelassene Ärzt:innen die Einstellungen der THS nicht abrechnen, was zur Folge hat, dass sie es nicht machen und es ergo viele Patient:innen gibt, die zwar eine gute Therapie haben, die aber nicht hinreichend benutzt werden kann. Denn diese Dinge sind zeitaufwändig und müssen deshalb auch vergütet werden.
Tatsächlich gibt es da eine Geschichte, die mich immer wieder zum Schmunzeln bringt. Am ersten Tag meiner Famulatur als Studentin war mein erster Patient ein älterer Mann mit Parkinson. Er war sehr nett und ich habe mich gerne um ihn gekümmert. Als Dankeschön hat er mir immer Bonbons geschenkt. Als ich Jahre später meine erste feste Anstellung im Virchow-Klinikum der Charité hatte und meinen ersten Patienten behandelte, dachte ich die ganze Zeit, dass er mir irgendwie bekannt vorkam. Aber ich konnte ihn einfach nicht zuordnen. Bis er am Ende der Behandlung die Bonbons aus seiner Tasche holte. Das war lustig. Wir haben immer so ein kleines Fenster in das Leben unserer Patient:innen. Das mag ich sehr, denn es ist ein ganz großes Geschenk, dass sie uns so vertrauen.
Ich würde ihnen gerne die alten Bilder von Parkinson nehmen, die sie aus ihrer Großelterngeneration kennen. Die Therapieoptionen haben sich in den letzten Jahrzehnten so sehr verbessert, dass es wirkliche großen Grund zur Hoffnung gibt und ich allen Mut machen möchte. Und man darf nie vergessen, dass man extrem viel selber machen kann, was sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Man ist nicht den Neurolog:innen und den Tabletten ausgeliefert, sondern kann richtig viel auch allein schaffen, indem man aktiv bleibt und sich aktiv ins Leben einbringt.
Herzlichen Dank für das Interview.